Samstag, 11. Januar 2014

Umzug

Liebe Lesende,

mein Abwesenheitstagebuch zieht auf eine andere Blogplattform um, da diese hier mich zu viele Nerven kostet. Für Sie und Euch ändert sich nix - außer ein kleiner Teil der Adresse:

abmeldung.tumblr.com

Und keine Angst - alles, was hier steht, steht auch dort schon zum Nochmallesen bereit.
Vielen Dank und ebensoviele Grüße.

Donnerstag, 9. Januar 2014

Um wieder zur gewohnten Regelmäßigkeit zurückzukehren, finde ich mich schon wieder vor der Tastatur wieder. Heute wieder sehr textlastig.

Mein Körper hat die letzten Nachwehen der Krankheit überstanden und ich denke, dass ich wieder zu 93% einsatzbereit bin. Jetzt geht es daran, das verlorene Gewicht durch permanente Spachtelei wieder an mich dranzukleben. Das ist hier allerdings relativ schwer, wenn man kein Fleisch isst und kein großer Freund von Eiern ist. Glücklicherweise sind - wenn ich das richtig sehe - gleich mehrere Carepakete mit allerlei Köstlichkeiten auf dem Weg zu mir. Auf dass ich sie verschlinge!

Außerdem ist die Schule nun auch endlich für mich losgegangen. Allerdings hat diese Art von "Start" in's Schuljahr mir sicherlich einige neue graue Haare beschert und mein Temperament (innerlich) mehrmals aufkochen lassen. Natürlich kenne ich nicht alle organisatorischen und strukturellen Umstände dieser Schule bis in's Detail und werde mich - auch weil die verantwortlichen Personen das hier niemals lesen (können) werden - deshalb mit meiner Kritik zurückhalten und bei einer sachlichen Beschreibung bleiben: Am Dienstag sollte also der Unterricht losgehen. Bis dahin wusste ich noch nicht, welche Klassen ich nun definitiv unterrichten sollte. Weiter wusste ich dementsprechend auch nicht, wann ich in welchem Klassenraum zu sein hatte. Und logischerweise wusste ich auch nicht, was ich in den Klassen unterrichten sollte. Dennoch fand' ich mich dann plötzlich um 8 Uhr morgens von der JHS 3 wieder - ohne irgendeine Art von Info, was dort bisher gemacht wurde oder zu machen sein würde. Es ist sicherlich nicht schwierig, sich vorzustellen, dass das eine rundun ungünstige Situation ist. Ich habe aus also fein improvisiert, mir irgendwas aus den Fingern gesaugt und irgendwie ging die Stunde dann auch tatsächlich rum. Allerdings war ich danach ein wenig wütend - die professionelle Stimme in mir rief unaufhörlich: "Ich kann so nicht arbeiten!!!".

Im Laufe des Tages gelang es mir nach zahllosen Gesprächen dann tatsächlich, zumindest einmal herauszufinden, welche Klassen denn jetzt tatsächlich von mir unterrichtet sollen werden. Für drei dieser vier Klassen habe ich mittlerweile sogar die Übersicht der kommenden Themen in Mathematik - die Übersicht der vierten Klassen ist wohl beim Lehrer, der angenehmerweise diese Woche blau macht. Ach ja, das sollte ich auch noch erwähnen: Da dieser, sagen wir mal "sanfte" Start in's Schuljahr kein Einzelfall und dementsprechend auch kein Geheimnis ist, behalten viele Eltern ihre Kinder in der ersten Woche gleich ganz zu Hause. Was dann wiederum für die LehrerInnen bedeutet, dass es dumm wäre, in der ersten Woche tatsächlich mit neuem Unterrichtsstoff anzufangen. So habe ich mich dann diese Woche auch auf die Wiederholung von Unterrichtsstoff aus dem letzten Schuljahr beschränkt. Didaktisch kann man sich dabei halt nicht so besonders austoben, aber ich bin jetzt doch vorsichtig optimistisch, dass ich nächste Woche vor vollständige Klassen treten und wirklich loslegen kann.

Ich werde mich hüten, mich dabei besonders intensiv an den Mathebüchern zu orientieren. Es ist wirklich superschade, aber die sind sowas von hingeferkelt - auf fast jeder Seite finde ich einen total bekloppten Fehler. Manchmal bloße Tippfehler (siehe 1), manchmal ist's einfach nur komplett falsch (siehe 2). Die meisten Kids können sich die Bücher allerdings ohnehin nicht leisten, sodass ich da demenstrechend gegensteuern kann.



(Hier stand vorher etwas anderes. Ich war damit aber nach dem zweiten Lesen unzufrieden und werde das Ganze im nächsten Post noch einmal neu aufgreifen.)

Zum Schluss noch ein Foto von den freundlichen Beamtinnen und Beamten vom Ghana Immigration Service. Bei denen waren wir gestern, um unsere Visa zu verlängern. Und da in einem Kaff wie Akim Oda nicht jeden Tag zwei Obronis reinkommen, die ihre Besuchervisa verlängern wollen, war das ein ziemliches "Ähm, keine Ahnung, wie das geht"-Gewiggel inkl. diverser Neu- und Umsortierungen diverser Dokumentenstapel, mehreren Fotosessions und dem Austauschen privater Handynummern. Hat alles igendwie geklappt - und einer der Beamten fährt jetzt tatsächlich nur für uns mit dem Trotro nach Koforudia zum Hauptoffice des Immigration Service, um die Anträge da per Hand abzugeben. Das ist Service (vgl. dt. Behörden)!


Sonntag, 5. Januar 2014

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Tiere,

nach längerer Abwesenheit nun endlich mal wieder was Neues hier auf dem Blog. Pardon für die Wartezeit. Es ist so, dass ich in den letzten Tagen des alten und den ersten Tagen des neuen Jahres auf Reisen war - wovon ich im Folgenden freilich berichten werde - und mir irgendwo on the road eine Krankheit eingefangen habe. Irgendwas typhusartiges, irgendwas mit Salmonellen. Naja, zumindest habe ich in den letzten Tagen den ersten Kreis der Hölle durchschritten und bin erst heute wieder in der Lage, länger als fünf Minuten aufrecht zu sitzen. Wenn man körperlich so richtig am Ende ist, lernt man ein Gefühl wie Heimweh nochmal ganz neu kennen, sag' ich Euch. So, nach diesem kurzen Prolog schlage ich vor, die vergangenen Tage in chronologischer Reihenfolge abzuarbeiten:

Weihnachten

Obwohl die Menschen in Ghana größtenteils richtig beinharte Christen sind, ist Weihnachten hier nicht so ein großes Ding. Ich meine jetzt gar nicht bezogen auf den Geschenke- und Konsumterror, das lässt sich ja relativ leicht erklären. Aber auch sonst ist's ein Tag wie jeder andere. Kathi und ich haben abends Glühwein gezaubert (ich hatte extra das Gewürz importiert), es gab ein bisschen Gebäck und wir haben ein paar kleinere Geschenke verteilt.















Außerdem bin ich mitgegangen zur Kirche - wovor ich im Vorfeld gehörigen Respekt hatte. Alleine die zu erwartende monumentale Dauer machte mich ganz unruhig. Im Endeffekt waren es dann "nur" drei Stunden, größtenteils auf Twi, wodurch die gefühlte Dauer durchaus länger war. Ich durfte mich dann noch vor der ganzen Gemeinde vorstellen und denke, dass ich damit meinen Kirchendienst in Ghana erfüllt habe.

Takoradi

Am 26. sind Kathi, Laura, Thaissa und ich mit den Trotro losgefahren nach Takoradi, einer größeren Küstenstadt, die wir uns auf dem Weg zu den hübschen Badeorten ansehen wollten. Nun, was soll ich sagen, es ist schon so, dass sich ghanaische Dörfer und Städte im Grunde sehr ähneln. Überall Verkaufsstände, überall Taxis, überall Menschen. Viel mehr kann ich über Takoradi nicht berichten, da war nicht allzu viel Zeit dort verbracht haben. Also weiter zu den interessanteren Sachen.

Busua










Busua ist scheinbar der Obroni-Magnet Ghanas. Es laufen viele Kleingruppen rum, die meisten sehen auch nach Freiwilligen oder Hippietouristen aus. Ich habe am Strand zwischendurch versucht, irgendwelche Anhaltspunkte über die Nationalität einer Person zu finden, wohlwissend, dass das aus antirassistischen Gesichtspunkten hochgradig brenzlig ist. Da allerdings für mich jeder Mensch mit blendend weißer Haut, leichter Plautze und leuchtendem Sonnenbrand automatisch aus Deutschland kommt, habe ich das Spiel schnell wieder verworfen.

Naja, ansonsten... Der Strand ist der Hammer, die Wellen herausfordernd und das feilgebotene Essen mannigfaltig. Würde ich auf jeden Fall nochmal hinfahren. Ach ja, mache ich ja, wenn Eli, Tine und Dennis mich besuchen kommen!
















Dixcove

Nur einen Fußmarsch entfernt von Busua liegt Dixcove. Dort steht ein altes Fort aus der Kolonialzeit. Architektonisch natürlich ziemlich interessant und nett anzusehen, aber wenn man sich zwischendurch mal wieder klar macht, wofür das Teil eigentlich steht, dann kann sich einem auch schnell der Magen umdrehen.


Außerdem hat Dixcove einen sehr schönen kleinen Hafen, wo die multicolorell beflaggten Fischerboote liegen. Irgendwie so ein richtiges Postkartenmotiv, da konnte ich auch nicht widerstehen:















Axim

Ein weiters kleines Küstenörtchen in der Nähe ist Axim. Hier haben wir uns noch ein weiteres Fort angesehen, weil es diesmal sogar eine (sehr gute) Führung gab. Ich habe keine Fotos der Sklavenzellen gemacht, aber ich sag's Euch, wenn Ihr gesehen hättet, wie klein eine Zelle für 60 Menschen sein kann...



Später sind wir dann noch zum angeblich schönsten Strand Ghanas aufgebrochen. Da der Taxifahrer uns lumpen wollte, sind wir bei einer zufällig des Weges kommenden Finnin mitgefahren. Der Strand ist wirklich ziemlich nett, allerdings quasi nur über ein Luxushotel zugänglich, was für uns wegen unserer Hautfarbe kein Problem war, allerdings die Frage aufkommen lässt, ob Einheimische den Strand auch nutzen können.


Wir waren dann nochmal für eine Nacht in Busua, da ging's mit meinem Fieber los. Am nächsten Morgen war es wieder etwas besser, aber so richtig supi ging's mir nicht. Sind dann mit dem Trotro über Agona und Takoradi nach Accra - 7,5 Stunden echte Gefühle. Es ist doch erstaunlich, wie sich ein in dimensionaler Ausprägung so unausgewogener Körper wie meiner doch in nahezu jede denkbare Form zerren, pressen, ziehen und stauchen lässt.

Accra

Angenehmerweise konnten wir in Aunties Elternhaus pennen, das sie geerbt hat und gewissermaßen als Hauptstadtwohnung für sich bunkert. Wenn man die meiste Zeit in einem Nest wie Akim Oda verbringt, dann ist Accra schon eine irre Erfahrung. Zur Feier des neuen Jahres haben wir uns einmal sehr un-ghanaisches Essen gegönnt und ich wollte mir eigentlich auch ne Flasche Champagner kaufen, war aber viel zu teuer. Da sich die Krankheit mittlerweile richtig eingenistet hatte, blieb ich den Feierlichkeiten fern und sah mir das Spektakel vom Balkon aus an:


Dann ging es wieder nach Hause, noch am selben Abend in's Krankenhaus (nur um den Arzt zu sehen) und die letzten drei Tage sind jetzt in meiner Erinnerung eine einzige heiße, graue Fläche. Nicht schön! 

Zum Abschluss noch ein kleiner Exkurs. Und zwar ist es hier insbesondere bei Taxifahrern (hier gibt's nix zu gendern, weil Frauen das hier nicht machen (dürfen?)) die Tradition, sich kleine Sprüche an die Heckscheiben ihrer Autos zu kleben und ich bin auf ein paar echte Schätze gestoßen. Ein sehr gutes Beispiel sogar bildlich festgehalten - bitte auch die komplexe Geometrie der Anordnung beachten:



Fair! Hier noch ein paar weitere Perlen:

  • Some Friends
  • No Weapon
  • Still Respect
  • I Am That I Am
  • To Be A Man
  • Still Dr. Jesus
Darüber könnte man ein Buch schreiben und vielleicht mache ich das auch einfach.
Schaui!

Samstag, 21. Dezember 2013

Hallohallo,

ich sitze gerade an meinem Schreibtisch und bin einigermaßen nachdenklich/durcheinander/verwirrt. Ich habe wirklich viel zu sagen und entschuldige mich im Vorfeld bei jenen Lesenden, die sich langweilen werden oder sowas.

Ich bin von mehreren Seiten auf diese Panorama-Doku und von Anna auch noch auf einen weiterführenden Artikel aufmerksam gemacht worden (danke!), welche sich in aller Kürze mit der Volunteer-Industrie auseinandersetzen, die für Kohle (meist junge) Menschen in die Welt schickt, um "Gutes zu tun". Im Film ging es sogar speziell um Ghana und ich wurde noch einmal sehr stark an die Zeit erinnert, als ich meine Flüge gebucht und die Impfungen und das Visum in der Tasche hatte, als die Sache halt safe war. Damals habe ich mich manchmal gefragt: "Was soll das eigentlich? Warum machst du das? Und für wen?" Kann ich jetzt auch noch nicht beantworten. Es wäre sicherlich geheuchelt, wenn ich behaupten würde, dass es nicht zu großen oder vielleicht sogar überwiegenden Teilen um mich geht. Manche Menschen, die sich aus unterschiedlichsten Gründen in der Vergangenheit gegen diese Art von Aktivität entschieden haben, mögen denken, dass ich mich jetzt nachträglich rechtfertigen will - gerade weil sie das scheinbar schon immer besser gewusst haben. Darum soll es hier möglichst nicht gehen. Ich würde einfach gar nicht darüber sprechen, wenn es mich nicht sowieso permanent beschäftigen und bei allem, was ich hier tue, quasi hinter der nächsten Ecke lauern würde. Ja, ich bin wohl unter anderem hier, weil ich etwas lernen möchte. Mit meinem Studium im Hinterkopf kann ich sagen, dass ich hier tatsächlich auch jeden Tag etwas über Bildung und Bildungssysteme lerne. Und ja, natürlich möchte ich, wie wahrscheinlich jeder von Euch, in meinem Leben vornehmlich "Gutes" tun, was auch immer das im konkreten Fall bedeuten mag. Es ist mir klar, dass die zweieinhalb Monate, die ich hier tatsächlich unterrichten werde, weder die Zukunft der Kinder nennenswert beeinflussen noch das ghanaische Bildungssystem in meinem Sinne reformieren werden. Ich bin auch nicht hier, um mich für Kleinstgeschenke wie einen Heiligen feiern zu lassen - auch wenn sich das, wie Ihr Euch eventuell vorstellen könnt, in reflexionsfreien Momenten natürlich schön anfühlen kann. Was also sonst?

Wie die Schulleiterin in der Doku schon sagt: "Money". Das was hier fehlt ist Kohle. An jeder Ecke. Und das nicht in dem Sinne, dass ich feststelle, dass es in Ghana nicht so picobello aussieht wie bei "uns". Hier fehlen mitunter elementarste Dinge, wie die Doku richtig zeigt: Stifte, die 10 Cent für's Schulessen, Kleidung, Schulbücher. Meine Arbeit - und mittlerweile sehe ich darin meinen tatsächlichen "Freiwilligendienst" - wird anfangen, wenn ich wieder zurück in Deutschland bin. Meine Schule hat das Glück, durch einen Förderverein aus Deutschland finanziell in großem Umfang unterstützt zu werden. Und zwar so, dass hier vor Ort entschieden werden kann, was mit der Kohle passiert - ohne dass der weiße Mann seinen Willen diktiert. Sicherlich besteht hier auch eine gewisse einseitige Abhängigkeit und sicherlich findet man an jeder Art von Entwicklungszusammenarbeit (oder wie man es in diesem Fall nennen möchte) eine Problematik, wenn man nur lange genug sucht. Aber hat sich durch diese Zusammenarbeit an der Schule etwas verbessert? Ja. Und das sage nicht ich, sondern die Schulleiterin, die mir gerade eben noch von den Anfangszeit der Schule berichtet hat und von den immensen Problemen, mit denen sie damals konfrontiert war. Wir haben uns eine Weile über die zahlreichen Freiwilligen unterhalten, die in den letzten Jahren hier zu Gast waren und immer stets mit den alleroffensten Armen empfangen wurden und werden: Auch sie sagt, dass der größte "Nutzen" dieser Freiwilligenaufenthalte für die Schule sich für sie erst nach deren Abfahrt eingestellt hat, nämlich als Geld und Materialen gesammelt wurden. Was freilich nicht heißen soll, dass Aunti selbst sich nicht unglaublich stark an den Erinnerungen an die einzelnen Personen erfreut.

Es gibt dazu so viel mehr zu sagen... Natürlich ist's nur eine Schule von Tausenden. Natürlich "kauft" man sich mit Spendengeldern auch gerne ein gutes Gewissen. Natürlich haben diese Freiwilligenagenturen, die sich, wie ich hier aus erster Hand erfahre, wirklich unvorstellbar viel Geld bezahlen lassen, etwas hochgradig Zwielichtiges an sich. Natürlich kommen hier Menschen aus den falschen Gründen hin (Was sind die Richtigen? Gibt's die?). Natürlich hätte ich das Geld für mein Flugticket auch spenden können, genauso wie das Geld für meinen Computer oder das Geld für meine vier paar Schuhe - hier dann also der Egopart an meiner Entscheidung. Wenn die eine oder der andere jetzt denkt, dass es ja doch nur all about me ist: Ich werde versuchen, das hinzunehmen und kann nichtmal sagen, dass ich mir sicher bin, dass es falsch ist. Trotzdem hoffe ich, dass ich für diese Schule in Zukunft tatsächlich etwas GUTES tun kann, dass also die Gastfreundschaft, die mir hier von allen Seiten permanent entgegengebracht wird, sich buchstäblich auszahlen wird. Wir haben uns vorhin schon über konkrete Ideen ausgetauscht, zu denen ich mich hier näher zu äußern gedenke, sobald ihre Zeit reif ist.

Ich hoffe, das ist nicht zu balla balla, ich stoße hier wirklich reflexionstechnisch an die Auslastungsgrenzen meiner Hardware. Vielleicht schreibt ihr, bei Interesse und Bock, auch einfach mal Eure Gedanken dazu?

So, nach diesem Lesemarathon sollen die Geneigten mit ein wenig Augenbalsam in Form von Fotografien entlohnt werden. Ganz ohne Intro funktioniert's natürlich doch nicht, ich bin ja immerhin schon quasi fast fertiger Lehrer.

Kathi und ich waren von Mittwoch bis Freitag in Kumasi, der zweitgrößten Stadt Ghanas. Dort ist auch der Sitz des Königs der Ashanti (auch: Asante), der größten Bevölkerungsgruppe Ghanas, und wir haben uns dazu Vieles angesehen. Der erste König wurde gekrönt, nachdem ein Priester mit unerinnerbarem Namen erst ein Schwert excaliburmäßig und unrausziehbar im Boden versenkte (Muhammed Ali hat's z.B. nicht geschafft) und dann auch noch einen goldenen Thron (Golden Stool, das größte Heiligtum der Asante) aus der Luft empfing, der durch seine auf-dem-Schoß-Niederlassung den ersten König auswählte. Die Briten haben diesen Thron mal, wie es sich für eine gierige Kolonialmacht gehört, eingefordert. Die Asante haben denen schlauerweise irgendeinen golden bemalten Schrottstuhl mitgegeben. Als den Briten dies klar wurden, führten sie WEGEN EINES STUHLS einen Krieg gegen die Asante, der vielen Menschen das Leben kostete. Hier ein Foto vom Schwert (schnapsbesudelt, vgl. Big Tree) und von Fake-Stuhl, sowie ein Gemälde vom Erscheinen des Golden Stool:

 

Hier seht ihr Fred, unseren über Freunde bekannten, supernetten Guide, der nicht nur down mit dem König ist, nein, sein Vater ist auch noch der stellvertretende Verteidigungsminister und gibt uns mit Glück die Tage eine Exklusivführung durch's Parlament. Wam.


Wir waren auch noch in 'nem Militärmuseum. Da gab's außer Knarren und Flaggen und Orden und so nicht allzu viel Spannendes zu sehen, außer den Kerkerzellen, in denen die Briten damals Asante-Kämpfer zum Sterben einsperrten. Echt erstaunlich, dass alle mir bekannten Leute hier ein mindestens neutrales Verhältnis zu Großbritannien haben, aber das Fass will ich nicht auch noch aufmachen. Hier noch ein kurzes Video vom Rückweg of Hell, sechseinhalb Stunden echte Gefühle:


Heute waren wir zur Graduation an Thaissas Schule eingeladen. Ein sehr langes Programm mit einigen sehr schönen Darbietungen, besonders hervorheben möchte ich hier die traditionellen Tänze. Es ist echt unfassbar und für mich auch beschämend, wie hammergut die Kids hier schon im Alter von drei Jahren abdancen können. Also beschämend halt, weil ich tanze wie ein alter Besen.


So, puh, das war's dann erstmal. Orrewa.
 

Dienstag, 17. Dezember 2013

Liebe Genossinnen und Genossen,

es folgt ein kurzes Update. Kurz, weil die vergangenen Tage mitunter von nahezu zermürbender Langeweile geprägt waren. Es ist so: Die Schulferien haben ja nun begonnen, deshalb ist es auf dem Schulhof sehr ruhig. Boat, Angelica und Joshua (meine Gastgeschwister) haben in den letzten Tagen die Abwesenheit von Aunti (meiner Gastmutter) genossen. Sie hält hier normalerweise alle einigermaßen auf Trab - mich in der Regel ausgeschlossen - was das Verteilen von Aufgaben angeht.

Die Drei verbringen diese freie Zeit meist damit, von morgens bis abends das ghanaische TV-Programm in sich aufzusaugen. Ich bin ja der ein oder anderen Mußestunde vor der Glotze durchaus nicht abgeneigt, aber was die hier zeigen ist so verstörend-schrottig, dass ich es einfach nicht ertragen kann. "Christian African Drama Made By Christians." Damit werben die. Es gibt einen Pool von etwa 20 SchauspielerInnen, die in nahezu jedem Streifen zu sehen sind. Thematisch geht's stets um irgendwelche irgendwie moralischen Konflikte (Freundin geht fremd = sie ist von einem Dämon besessen, Freundin/Frau hat Komplikationen während der Schwangerschaft und nur ein Schwangerschaftsabbruch kann sie vor dem Tod retten = geht natürlich (!) nicht, aber beten rettet sie und das Kind), bei denen Gott dann stets behilflich ist. Um etwaigen Ethnozentrismus-Vorwürfen vorzubeugen: My concerns are global. Dieses Exportware haben die Kolonialmächte ja eifrig über den ganzen Globus verteilt. Ich hatte das im letzten Post schon angedeteut und werde mich in Zukunft nochmal wirklich ausführlich dazu äußern.

Und dann zeigen sie im TV noch Qualitätsware wie Twilight. Auch scheiße, nur anders.

Naja, Joshua und ich haben die Freizeit zwischendurch auch mal für eine Partie UNO genutzt, wie dieses Video zeitraffend illustriert:


Ihr seid jetzt sicherlich geneigt zu denken: "Ja, dann geh' halt raus Alter!" Nun ist es aber so, dass Oda weder sehenswürdigkeitenmäßig noch im Bereich der Ausgehmöglichkeiten besonders viel zu bieten hat. Es gibt eine handvoll Bars, die in der Regel aber nicht besonders gut besucht sind. In einer dieser Bars - wir nennen sie Sports Bar - haben wir uns ein wenig eingenistet und trinken dort abends mal eine Tasse Bier zusammen. (Auf dem Bild zu sehen sind übrigens Kathi und Thaissa.)


Man lernt dort durchaus Locals kennen und ich habe schon viele interessante und interessierte Gespräche geführt. Aber so richtig flächendeckend ist das auch nicht der Fall - einfach weil das Ausgehen hier nicht mit der Selbstverständlichkeit betrieben wird, wie ich es von zu Hause kenne.

Nun noch einige Impressionen der Umgebung. Ich war echt verblüfft, wie tropisch die Pflanzenwelt hier ist. Das hätte ich natürlich vorher rausfinden können. Auch gut zu erkennen ist das immense Müllproblem hier vor Ort. Der Müll wird einfach an den Wegesrand gekippt, wo sich die später verzehrten Nutztiere an ihm laben.


Morgen früh werden Kathi und ich mit dem Trotro nach Kumasi fahren, das ist die zweitgrößte Stadt des Landes. Das bietet sich zur Zeit wirklich an, weil hier, wie gesagt, nicht viel zu tun ist. Evtl. schauen wir uns auch noch den Lake Bosumtwi an. Die Geschichte des Sees klingt ganz interessant und es soll auch ein sehr nettes Fleckchen sein. Die Trotros fahren von einem zentralen Platz ab, immer zu einer präzisen Uhrzeit: Wenn sie voll sind. Ihr könnt Euch das so vorstellen: Eines der Autos auf dem folgenden Bild fährt nach Kumasi. Welches? Keine Ahnung, da muss man fragen. Und in so einem Bulli sitzen dann gut und gerne mal bis zu 12 Personen, was natürlich auf Kosten der Beinfreiheit und für mich dank meiner Größe dann auch sehr auf Kosten der Reisequalität geht. Ist aber voll billig.


So, besonders kurz war es jetzt doch nicht. Abschließen möchte ich mit einem kleinen Song, auf den ich gestern beim wiederholten Ansehen der sehr guten Doku über Arthur Russell ("Wild Combination - A Portrait Of Arthur Russell) aufmerksam wurde.




Grüße an alle und UvdL.

Freitag, 13. Dezember 2013

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Familie, liebe ZufallsbesucherInnen,

die letzten Tage verliefen auf der Ereignisebene doch recht überschaubar. Die Schule war in dieser Woche nur formal in Betrieb, im Endeffekt wurde lediglich ein wenig aufgeräumt und gewischt und so. Ich hing zwischendurch immer mal mit ein paar Kids rum, dabei ist dieses meiner Meinung nach wundervolle Foto entstanden. (Ich bekomme übrigens geilerweise auch so eine Schuluniform wie der Junge rechts. Die sind wunderschön, oder?)


Vor drei Tagen lief ich gerade von der Stadt nach Hause, als mir kurz vor unserer Schule eine ältere Frau von ihrem Verkaufsstand aus sehr laut zurief - leider auf Twi. Da in ihrem Gerufe aber das Wort "Obroni" deutlich überrepräsentiert war, war ich mir sicher, dass ich gemeint war. Glücklicherweise kamen gerade ein paar Mädels von unserer Schule vorbei und halfen mir übersetzend aus der Klemme. Hier eine sinngemäße Wiedergabe:

Mädchen: "She says you don't dare to try this drink!"

Ich (sehr cool): "Of course I do. Give me some!"

Eine Antwort, die ich direkt nach der Aussprache bereuen sollte. Das Getränk war in einer Art ausgehöltem Holzball aufbewart, um den munter ein Geschwader Fliegen kreiste. Schließlich versenkte sie eine rostige Kelle in den Untiefen des Kübels und schöpfte eine schlammbraune Substanz in einen kondomähnlichen Plastikschlauch. Mittlerweile versammelten sich immer mehr Schaulustige und ich war mir inzwischen sicher, dass ich entweder kotzen und/oder auf einem rosa Elefanten davonreiten würde. Schließlich wurde das Getränk mit gelblicher Kondensmilch versetzt, die instantly und auf's Unappetitlichste ausflockte. Mit einem erwartungsvollen Lächeln hielt die Verkäuferin mir die Brühe hin. Ich nahm alle Kräfte zusammen und saugte zögerlich einen Schluck aus dem Schlauch, vierzig Augenpaare auf mich gerichtet und - es war gar nicht mal sooo scheiße. Auf mein "I actually like it" folgte eine rasante, beinahe enttäuschte Auflösung der Menschenmenge. Scheiße, wieder nicht abgeliefert. Das Getränk heißt übrigens Emiajo und wird irgendwie aus (vergorenem?) Mais hergestellt. Naja und es schmeckt halt auch wie kalter, vergorener Mais mit alter Kondensmilch. Hier noch ein Foto, optisch auch echt eher beleidigend:


Hier sollte eigentlich ein Abschnitt über die Rolle des Christentums in Ghana kommen und die Gefahr, die meiner Meinung nach davon ausgeht. Irgendwie fühle ich mich aber noch nicht bereit, darüber zu sprechen, gerade weil es ein Thema ist, das viele nicht mal mit der Kneifzange anfassen würden. Irgendwann wird das vielleicht was. Kleiner Teaser: "So you believe in monkeys?"

Heute war ein Freund von Joshua da. Wir wollten eigentlich 'nen Film drehen, waren dann aber doch zu faul und hatten stattdessen ein bisschen Spaß mit Photo Booth. Seht selbst:




Ich habe meine Gastschwester Angelica, die ihres Zeichens eine hervorragende Köchin ist, mal beim Fufu-herstellen gefilmt. Geht mal in einen Afrikaladen und kauft euch Kochbananen und Maniok- oder Yamswurzeln, kocht das und haut es danach zu Brei. Den Ball dann in die Erdnusssuppe, auf deren Rezept ich immer noch warte. Ich esse das so oder so ähnlich fast jeden Tag (freiwillig).


Ich habe ziemlich viel Feedback zu dem Hahn aus meinem letzten Post bekommen, der mir die Nächte zur Hölle macht. He is alive and well, weil ich schweige wie ein Grab. Ich habe ihn mehrmals in der Hoffnung auf eine Aufnahme seines kranken Krähens vefolgt, bisher aber kein Glück gehabt. Hier ist er mit seinen chicks (hähä) zu sehen:


Sodrian, das soll es vorerst gewesen sein.
Viele Grüße in den hohen, kalten Norden.

Dienstag, 10. Dezember 2013

Na?


Eine der möglichen Nebenwirkungen meiner Malariaprohylaxe ist Schlaflosigkeit. Ein scheußliches Leiden, mit dem ich auch in Deutschland von Zeit zu Zeit zu kämpfen haben. Doch anstatt mich weiterhin im Bett herumzuwälzen, habe ich begonnen, mich nachts nach draußen auf den Schulhof zu setzen und den Sounds meiner Umgebung zu lauschen, eingekleistert mit einer zentimeterdicken Schicht Moskitolotion. Ich habe versucht, es aufzunehmen, aber es lässt sich einfach nicht einfangen - deswegen eine mündliche Beschreibung.

Grundlage ist der omnipräsente Grillengesang. Dieser vermischt sich mit der typisch ghanaischen (Pop-)Musik, die für mich als Laien i.d.R. wie eine Mischung aus Kirmestechno oder -pop, Gospel und Reggae klingt und hier immer durch die Luft rauscht. Komischerweise ist die Musik in sich irgendwie stimmig, hat textmäßig aber kaum etwas zu tun mit mir, weil’s quasi ausschließlich um Jesus geht. Eine Ausnahme, die mal nicht nicht so In-Your-Face-christlich ist, textlich aber sehr interessant:


„Marilyn Monroe, beautiful lady from Africa.“
Wam! Darüber habe ich lange gelacht.

Vorgestern Nacht gab es hier zusätzlich noch irgendein Tier zu hören, das sich wie ein robotischer Gecko oder so anhörte. Absolut monotoner Rhythmus und ein Geräusch, das ich so noch nie vernommen habe. Zwischendurch ein bisschen Hundegeheul (die heulen z.B. gerne Krankenwagensirenen hinterher) und Gekrächze von unserem (verbliebenen) Hahn, der mich freundlicherweise meist gegen 4 Uhr morgens aus dem gerade erst gefundenen Schlaf weckt. Kurze Fußnote hierzu:

Joshua: „Kathi, remember the cock that used to disturb you?

Kathi: „Yes.

Joshua: „We killed him. We all had him for dinner.

Mein fleischloses Herz bleibt da freilich für einen Moment stehen, aber die Selbstverständlichkeit, mit der der Hahn durch sein Gekrähe sein Leben verwirkt hat, war irgendwie... Weiß auch nicht. Wisst ihr, was ich meine? RIP anyway, ich werde mich hüten, auch nur ein schlechtes Wort über „meinen“ Hahn zu verlieren.

Naja, zu dem beschriebenen Sound dann ein schwefelgelber Mond und diese (nachts) angenehme Wärme. Mir lag das Wort „organisch“ auf der Zunge, aber ich vermute, dass diese sinnlichen Entgleisungen auch eine Nebenwirkung der Malarone-Tabletten sind.

Gestern haben Kathi und ich mit der Schulleiterin ein paar Geschenke abgeliefert, die mir ein 4-jähriges Mädchen aus Ibbenbüren mitgegeben hatte. Hat sie von ihrem eigenen Taschengeld gekauft - Reife Leistung mit 4! Die Kids haben sich sehr gefreut, vor allem über die Süßigkeiten. Ich wurde gebeten, das Ganze fotografisch festzuhalten. Hier ein paar Eindrücke:




















Ab Freitag haben wir Weihnachtsferien und ich werde erst im neuen Jahr meine drei Mathekurse übernehmen. Vielleicht auch 'nen Deutschkurs, mal sehen. Ich werde in Mathe die Junior Highschool 2 und 3 unterrichten. Die sind alle, wenn ich das richtig sehe, so zwischen 14 und 16. Ich bin zwar irrerweise erstes-staatsexaminierter Mathelehrer, aber was man in dem Alter macht ist echt nicht ohne. Muss ich mich in den Ferien erstmal wieder reinfuchsen.

Adieu!